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09.10.2015
Körperpsychotherapie in der Beratung

Von Beginn unseres Lebens an gehören Berühren und Berührt-Werden zu den wichtigsten Erfahrungen des Menschseins. Im Mutterleib schon ist der Tastsinn der erste, den wir entwickeln. Ab dem Zeitpunkt der Geburt steht dann zunächst das Berührt-Werden im Vordergrund.

Wir wurden als Baby gestreichelt, gehalten, getragen, liebkost, in warmem Wasser gebadet und vieles mehr. Der Körper war unser wichtigstes Austausch- und Ausdrucksmittel, lange bevor wir sprechen konnten. Fühlten sich die Berührungen angenehm und wohlig an, entwickelte sich in uns ein sicheres Gefühl, willkommen und geborgen zu sein.

Manchmal verlief die Entwicklung weniger positiv und es gab eher unangenehme Berührungserfahrungen – sei es durch einen Mangel an Berührung oder vielleicht auch durch ein Zuviel. Möglicherweise hat die Berührungsqualität nicht den tatsächlichen Bedürfnissen entsprochen und unangenehme Gefühle ausgelöst. Dann möchte der Körper solche Erfahrungen künftig meiden, und die Betroffenen schützen sich vor zu viel Nähe und Intimität, indem sie auf Distanz gehen. So beeinflussen die Art und Weise sowie die Dosis, die wir als Kinder mit körperlicher Zuwendung gemacht haben, das spätere Sexualleben. 

„Ich habe große Sehnsucht nach Nähe und Körperlichkeit. Manchmal warte ich darauf, in den Arm genommen und gehalten zu werden, und wenn es dann dazu kommt, nehme ich Reißaus oder werde ganz steif.“ Das ist ein Satz, den ich oft von Frauen in meiner Praxis höre.

Aber es gibt vielerlei Möglichkeiten, um mit dem Zwiespalt zwischen Bedürfnis nach und gleichzeitiger Angst vor Berührung umzugehen. Männer versuchen diese Ambivalenz oft durch Bestätigung bei der Arbeit oder beim Sport zu kompensieren. Aber wie es so ist mit Ersatzhandlungen – das, worum es eigentlich geht, bieten sie nicht: die Wärme und Nähe eines Menschen zu spüren und ein angenehmes Gefühl dabei zu empfinden. 

In der Körperpsychotherapie, die oft integraler Teil meiner Beratungen ist, geht es darum, sich mit Achtsamkeit und viel Aufmerksamkeit den eigenen Empfindungen zuzuwenden. Wie viel Nähe kann ich zulassen, wie viel Abstand benötige ich zwischen mir und einem Gegenüber? Welche Möglichkeiten habe ich, diesen Raum zu gestalten?

Welche Berührung gibt mir das Gefühl von Halt und Geborgenheit? Welche engt mich eher ein? Kann und darf ich mich mit meinen Empfindungen mitteilen? Wie fühlt es sich an, wenn ich meinen „Nahraum“ so gestalte, wie ich ihn benötige? Fühle ich mich sicher oder tauchen Schuldgefühle auf? Erlaube ich es mir, mein körperliches Bedürfnis und Begehren zum Ausdruck zu bringen, oder habe ich gelernt mich zurückzunehmen?

Sich diese Fragen zu stellen, ist wichtig. Denn im Grunde sind wir Menschen alle „Kuscheltiere“. Auch uns Erwachsenen tut körperliche Berührung gut, und die damit vermittelten Gefühle von Zuwendung, Trost, Geborgenheit und Liebe sind ein (Über-)Lebensmittel, auf das wir schwer verzichten können.